16. September 2021, 10:00 bis 11:30 Uhr
Online-Veranstaltung
Auch in diesem Jahr bietet das House of Energy als Alternative zum traditionellen House of Energy Kongress eine Reihe von Online-Foren in der zweiten Jahreshälfte an.
Um die Energiewende ganzheitlich zu betrachten, rücken neben wirtschaftlichen und technische Themen in diesem Jahr vor allem Aspekte der Nachhaltigkeit und Verantwortung in den Fokus.
Hier alle Termine im Überblick:
13. Juli 2021 | Auftaktveranstaltung | Keynote Speech und Podiumsdiskussion "Die Energiewelt WERTVOLL gestalten" |
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10:00-11:30 Uhr
| Wertstoffkreisläufe – (Seltene) Materialien und Recycling
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10:00-11:30 Uhr
| Sektorenkopplung – Die Etablierung eines multimodalen Energiesystems Teil 1 |
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Programm am 16. September 2021
Begrüßung und Einführung | Prof. Dr. Peter Birkner, House of Energy
Impuls | Dr. Justus Brans, Hessisches Ministerium für Wirtschaft, Energie, Verkehr und Wohnen
4 Impulsvorträge
Fragerunde mit den Teilnehmern
Zusammenfassung und Dank | Prof. Dr. Peter Birkner, House of Energy
Anmeldungen sind bis zum 14. September möglich.
Die Teilnahme ist kostenlos.
Online Forum 1: Wasserstoff – eine wichtige Säule der künftigen Energieversorgung
Im ersten Forum des diesjährigen House of Energy Online-Kongress betonte Herr Prof. Dr. Peter Birkner, Geschäftsführer des House of Energy e.V., in seiner Begrüßung der über 60 Teilnehmenden, dass es notwendig sei, die Energiewende auf eine grüne Basis zu stellen. Zur Energieversorgung gehöre nicht nur Strom. Wasserstoff sei eine notwendige Ergänzung. Doch wo kommt er her und wie wird er erzeugt? Wie kommt er von den Quellen zu den Senken? Wie viel Wasserstoff brauchen wir und wozu? Dieses Forum möchte die Thematik mit Impulsen aus unterschiedlichen Perspektiven unterfüttern.
Herr Dr. Justus Brans vom Hessischen Wirtschaftsministerium ging der Frage nach, welche Rolle Wasserstoff spielt, um Klimaneutralität zu erreichen. Klar sei:Wer Wasserstoff will, muss den Ausbau Erneuerbarer Energien vorantreiben – ob national oder international. Das Thema Wasserstoff werde landauf, landab heiß diskutiert. Vielfach ginge es darum, welche Herkunft (Farbkennzeichnung) der Wasserstoff im Rahmen des Markthochlaufs haben solle. In der aktuellen Phase von Technologieerprobung und beginnendem Markthochlauf sei jedoch entscheidend, gezielt die bestehenden Problemstellungen aufzugreifen. Deutschland sei auf den Import von Energie angewiesen, denn „Energie ist ein globales Handelsgut und wird es auch bleiben.“
Herr Brans ergänzte: „Daher müssen wir uns die Frage stellen: Wo wollen wir Wasserstoff einsetzen und wie bekommen wir ihn dorthin?"
Seiner Einschätzung nach kann sich eine entsprechende Gasnetzinfrastruktur nur entwickeln, wenn aktiv für einen Aufwuchs des Bedarfs gesorgt wird, „denn Wasserstoff transportiert man nur, wenn er auch abgenommen wird.“
Fernleitungen für Wasserstoff werde es innerhalb der nächsten 10 Jahre absehbar für einen flächigen Anschluss Hessens nicht geben und erst Mitte der 30er Jahre dürften H2 Anwendungen systematisch an eine H2Infrastruktur angebunden sein. Deshalb gehe es zunächst darum, regionale Projekte zu duplizieren und regionale Mikronetze einzurichten. Wasserstoffsenken müssten schnellstmöglich an solche Netze angeschlossen werden. Vor Ort würde sich durchsetzen, was wirtschaftlich attraktiv ist. Die Kosten und Marktpreise für Wasserstofferzeugung, Transport und Anwendung spielen dabei eine entscheidende Rolle – auch in Relation zum Strompreis. Daher würden technologische Entwicklungen in der gesamten Wertschöpfungskette dringend benötigt und müssten staatlich unterstützt werden, denn Deutschland möchte eine führende Rolle in der Wasserstoffwirtschaft einnehmen.
Wichtig sei es, aus der Sicht des Wasserstoffkunden zu denken und miteinander festzustellen, für welche Anwendungen die All electric World auf Grenzen stößt und wo Wasserstoff daher perspektivisch unverzichtbar ist. Für Industrieanwendungensei dies un strittig. Für die so identifizierten Senken seien die Nach frage zu schaffen und Ankerinvestitionen seien zu tätigen. Dabei wäre die Sektorenkopplung ganzheitlich zu denken: Für Wärmeanwendungen in Gebäuden seien vorzugsweise z. B. Geothermie und Solarthermie mit einzubinden.
In seinem Vortrag „Heizungssysteme heute, morgen und übermorgen“ ging Herr Dr.Manfred Dzubiella von Viessmann Climate Solutions SE zunächst darauf ein, dass über 70 % der Endenergieträger für Raumwärme und Warmwasser noch in molekularer Form aus fossilen Quellen bereitgestellt werden. Die Transformation des Wärmesektors sei daher eine große Aufgabe. Laut Herrn Dr. Dzubiella hätte der Einsatz von Wasserstoff im Wärmemarkt wesentliche Vorteile:
→ Die Wetterabhängigkeit wird beherrschbar.
→ Die Potenziale der bestehenden Gasinfrastruktur werden genutzt.
→ Stromnetze werden entlastet und die Resilienz des Energiesystems erhöht (Dies sei notwendig, weil bis 2030 durch den Ausstieg aus Kernkraft und Kohlestrom bei gleichzeitig steigendem Strombedarf eine Stromlücke auszugleichen ist.)
Zu beachten sei, dass im Gebäudebestand eine große Heterogenität vorherrsche. Der überwiegende Anteil sei unsaniert oder teil saniert und habe einen entsprechend hohen Energieverbrauch. Dies ändere sich aufgrund der Sanierungsrate nur langsam. Daher brauche es Alternativen zur Wärmepumpe. KraftWärme Kopplungs Systeme und Brennstoffzellen müssen jedoch mit Brennstoffen versorgt werden. Da Wasserstoff andere Eigenschaften bei der Verbrennung habe als Erdgas, entwickele Viessmann H2Ready Lösungen, die zunächst noch mit fossilem Erdgas betrieben und un kompliziert auf Wasserstoff umgestellt werden könnten, sobald dieser lokal verfügbar ist. Die Transformation erstrecke sich über den gesamten Zeitraum bis zur angestrebten Klima neutralität: Wenn man von der typischen Austauschrate von 600.000 Geräten pro Jahr ausginge, dauere es bis 2045, bis alle Geräte ausgetauscht sind.
Grundsätzlich brauche es die Koexistenz verschiedener Lösungen im Wärmemarkt, die sowohl auf Grünstrom als auch auf H 2ready Lösungen basieren.
Herr Jochen Bard vom FraunhoferInstitut für Energiewirtschaft und Energiesystemtechnik (IEE) behandelte in seinem Vortrag das Thema Wasserstoffwirtschaft und konnte damit die Gesamtperspektive global aufgreifen und die Importoptionen aufzeigen. Ein leitend stellt er fest, dass über 30 Länder Strategien zum Thema Wasserstoff entwickelt haben und die Markteinführung durch Anreizsysteme umrahmen. Eine Wasserstofferzeugung in Elektrolyseuren erhöhe perspektivisch den Strombedarf. Den herkömmlichen Strombedarf könne Deutschland zwar aus eigener Erzeugung decken, doch um perspektivisch den gesamten Nutzenergiebedarf aller Sektoren (inklusive Mobilität und Logistik) zu decken, brauche es zusätzliche Erzeugungskapazitäten. Die nationale Wasserstoffstrategie sehe den Aufbau von 5 GW ElektrolyseLeistung bis 2030 und weiteren 5 GW bis 2035 vor, einschließlich der dafür notwendigen Kapazitäten im Bereich von Offshore Windparks, die nicht gänzlich elektrisch angebunden werden würden.
Die Skalierung der europäischen Projektefalle deutlich größer aus als noch vor wenigen Jahren. Folglich sei in den nächsten 10 Jahren mit einem enormen Zuwachs bei der H 2Erzeugung in Europa zu rechnen. Zwar stelle Europa einen gewissen Schwerpunkt in der Wasserstoffwirtschaft dar, aber auch in Nordamerika, Süd Ost Asien und Australien seien große Entwicklungen zu verzeichnen.
Weltweit gehe man von einem Investitionsvolumen von rund 500 Mrd. USDollar bis 2030 aus. Dies ginge damit einher, dass eine drastische Kostendegression (über 60 % bis 2030) für die Wasserstoffproduktion erwartet werde – als Folge von Kostenreduktionen bei Erneuerbaren Energien und Elektrolyseuren.
Der im Jahr 2021 vom Fraunhofer IEE vor gelegte Power to X Atlas zeige erstmals die weltweiten Power to XPotenziale auf. Mit dem Atlas könnten Interessenten unter anderem die für PtX in Frage kommenden Flächen, die erreichbaren Volllaststunden, mögliche Erzeugungsmengen, die jeweiligen Gestehungskosten für die verschiedenen PtXEnergieträger sowie die Kosten für deren Transport nach Europa abrufen. Auch Restriktionen, die sich aufgrund von Nachhaltigkeit und sozioökonomischen Faktoren ergeben, würden berücksichtigt.
Viele Regionen der Welt böten gute Bedingungen für die Produktion von grünem Wasserstoff sowie regenerativ erzeugten synthetischen Kraft und Brennstoffen.
Herr Bard beleuchtete abschließend noch das Wasserstoff Transportnetz für Industrie und Kraftwerke. Es sei davon auszugehen, dass 70 % des in Europa erzeugten Wasserstoffs über Gaspipelines transportiert werden, da dies der effizienteste und preiswerteste Weg sei. Von der kostspieligen Alternative, flüssigen Wasserstoff per Schiff zu importieren, würde man wahrscheinlicheher absehen. Per Schiff würden besser wasserstoffbasierte Synstheseprodukte wie Ammoniak, Methanol oder Kerosin transportiert werden. Ein globaler Handel von Power to XProdukten sei erwartbar.
Die Wasserstofferzeugung und Infrastruktur im Industriepark Höchst kann laut Herrn Dr. Joachim Kreysing (Geschäftsführer Infraserv Höchst, Betreiber Industriepark) eine wichtige Rolle für den Markthochlauf spielen. Seit über 100 Jahren würden sie als Chemie und Pharmastandort von einer zuverlässigen Wasserstoffversorgung profitieren.
Im Industriepark werden funktionierende Konzepte im Reallabor erprobt (Mobilität, PtX; PtL): Neben der H2Nutzung in der Chemie und Wärmeproduktion gebe es seit 2006 eine öffentliche Wasserstofftankstelle, aus der sich auch die Werksbusse im Industriepark bedienen. Ab 2022 soll es eine Tankstelle für Schienenfahrzeuge geben, die einen Bedarf von bis zu 2.400kg pro Tag decken kann.
Es entstehe eine Infrastruktur für eine neue, hessische Wasserstoff Zugflotte. Bestandteil des Projektes ist auch die Errichtung eines PEMElektrolyseurs mit 5 MW. Weiter gäbe es eine Trailerstation, über die Wasserstoff in die Region geliefert werden könne. Auch solle eine industrielle Power toLiquid (PtL) Anlage für grünes Kerosin von Ineratec installiert werden. Für die Technologieentwicklung sei es sinnvoll, zum jetzigen Zeitpunkt solche Anlagen in Deutschland zu errichten. Für diese Pionieranlage würde der Wasserstoff von Infraserv Höchst kommen und das Kohlenstoffdioxid aus einer Biogasaufbereitungsanlage von Infranova. Eine PtL Produktion in großem industriellem Stil sei inDeutschland aufgrund von Kostennachteilen nicht zu erwarten, da es wenig sinnvoll sei, den dafür benötigten Wasserstoff bzw. Grünstrom zu importieren.
Entscheidend sei, dass das Rhein Main Gebiet ab 2030 transnational an WasserstoffPipe lines angebunden wird. Für den erforderlichen Markthochlauf sollen anfänglich die vor handenen Wasserstoffquellen regional noch besser genutzt und vernetzt werden. Aufgrund der derzeit noch knappen Wasserstoffverfüg barkeit würde dies zunächst in einzelnen Bereichen wie der Mobilität passieren.
Die Industrie benötige enorme Wasserstoffmengen. Für einen industriellen Einsatz in Gasturbinen könne der Wasserstoff hier in der Region nicht hergestellt werden, da der da für nötige Strom aus erneuerbaren Energien nicht ausreichend sei. Das ginge erst, wenn die transnationalen WasserstoffPipelines zur Verfügung stehen. Ebenso seien fossile Ausgangsstoffe für die Grundstoffindustrie auf erneuerbaren Wasserstoff umzustellen.
Das Anliegen des Industrieparks ginge also in die Richtung, früh und rechtzeitig an einegroßräumige Wasserstoffinfrastruktur angeschlossen zu werden.
Um die lokale Herstellung von grünem Wasserstoff mit erneuerbaren Energien und die damit verbundenen Herausforderungen ging es in dem Vortrag von Herrn Christoph Lübcke, Geschäftsführer BLG Project GmbH – konkret um das Projekt Hydrogen Valley Wolfhagen
An ein Umspannwerk sollen zwei Windparks (72 MW elektrische Leistung) und ein Photovoltaikpark (80 MW elektrische Leistung) angeschlossen werden, deren Erzeugungslastgänge sich ergänzen. In Kombination mit einem Batteriespeicher werde eine gute Versorgung der Nutzer vor Ort möglich. Somit sei ein wirtschaftlicher Anschluss der Elektrolyseure und weiterer neuer Stromverbraucher gewährleistet.
30 % der 150 MW Erzeugungsleistung seien per spektivisch für die Er zeugung von Wasserstoff eingeplant. Bis 2030 sollen Elektrolyseure mit einer Leistung von 6 MWel errichtet werden, mit denen ca. 1 Millionen kg Wasserstoff hergestellt werden könnten. Zukünftig sollen Wasserstofftankstellen für LKW und Busse sowie eine ElektromobilitätsLadeinfrastruktur errichtet werden.
Die Elektrolyseure würden punktuell dort installiert werden, wo Wasserstoff benötigt wird, und mit Pufferspeichern ausgestattet. Dies beträfe das Wolfhager Land (ca. 110km²) und beinhalte den inter kommunalen Gewerbe und Logistikpark „A44 – Hiddeser Feld“. Auch für die nicht elektrifizierte Bahnstrecke KasselKorbach sei ein Elektrolyseur am Bahnhof Wolfhagen vorgesehen, um die Züge auf Wasserstoffbasis regenerativ betreiben zu können. Ein kleiner Teil des Wasserstoffs würde in das Gasnetz eingespeist werden. Nicht vorgesehen sei, den Wasserstoff mit LKW zu Tankstellen zu bringen.
Eindrucksvoll machte Herr Lübcke deutlich, was es bedeutet, die nationalen Energie wendeziele auf eine Kommune wie Wolfhagen herunterzubrechen. Wenn man für das Jahr 2045 einen elektrischen Energiebedarf von 1.200 TWh für Deutschland annimmt, müsste Wolfhagen anteilig 0,372 TWh
Strom erzeugen. Das würde bedeuten, dass man die Stromerzeugung aus Windenergie verfünffachen, aus Solarenergie verneunfachen und aus Biomasse verdoppeln müsste.
Dabei sei schon jetzt viel Erneuerbare EnergienLeistung in Wolfhagen in stalliert. Dies seien zwar erstmal große Zahlen, aber letztlich werde der ländliche Raum zum Energielieferanten für Deutschland, was mit Chancen verbunden sei. Die regionale Wertschöpfung spiele eine große Rolle. Das Konzept mache es möglich, Wertschöpfung vor Ort zu bündeln. Schmunzelnd fügte Herr Lübcke hinzu, mit Hilfe von Solar, Wind und lokal erzeugtem grünen Wasserstoff könnte der ländliche Raum in Nord OstHessen zum hessischen Klein Dubai werden. Alle Projekte des Hydrogen Valleys seien Bürgerprojekte, über die die beteiligten Bürger auch Rabatte beim Energieeinkauf bekämen. So profitierten die Bürger direkt von den Projekten, was wiederum die Akzeptanz steigert.
Herr Prof. Dr. Birkner fasste zusammen, dass Wolfhagen und Infraserv wichtige, exemplarische Keimzellen für den WasserstoffHochlauf in Hessen seien. Es sei fundamental, regionale Ankerprojekte zu schaffen, die im Laufe der Zeit vernetzt werden können. Dabei sei nicht zu missachten, dass all dies einen enormen Flächenbedarf fordert. Die Energiewende setze daher die Akzeptanz der Bürger voraus. Wichtig sei es, in Deutschland funktionierende, nachhaltige Systeme aufzubauen, die global als gute Beispiele zeigen, wie es gehen kann. Es bleibe nicht viel Zeit, denn das verbleibende CO 2Budget zur Begrenzung des Klimawandels neige sich dem Ende zu. Weiterhin stellte Prof. Dr. Birkner fest, dass Konsens über das Ziel, dass Wasserstoff langfristig grün sein müsse, bestehe. Da bei werde die Notwendigkeit von Energie importen weiterhin vorhanden sein. Noch sei nicht klar, wie wir dieses Ziel erreichen können und welche Rolle de karbonisierter Wasserstoff einnehmen könnte. Das House of Energy möchte seinen Beitrag dazu leisten, Informationen bereitzustellen, einen Austausch zwischen den verschiedenen Perspektiven zu ermöglichen und den Diskurs zu versachlichen.
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