28. Oktober 2021, 10:00 bis 11:30 Uhr
Online-Veranstaltung
Auch in diesem Jahr bietet das House of Energy als Alternative zum traditionellen House of Energy Kongress eine Reihe von Online-Foren in der zweiten Jahreshälfte an.
Um die Energiewende ganzheitlich zu betrachten, rücken neben wirtschaftlichen und technische Themen in diesem Jahr vor allem Aspekte der Nachhaltigkeit und Verantwortung in den Fokus.
Begrüßung und Einführung | Dirk Filzek, House of Energy
4 Impulsvorträge
Fragerunde mit den Teilnehmern
Verabschiedung | House of Energy
Anmeldungen sind bis zum 27. Oktober möglich.
Die Teilnahme ist kostenlos.
Online Forum 3: Green Finance – Die Rolle der Finanzwirtschaft
Bei unserem dritten Forum am 28. Oktober 2021 drehte sich alles um das Thema „Green Finance – Die Rolle der Finanzwirtschaft“. Lesende dieses Berichts erhalten aktuelle Einblicke und gewinnen das Verständnis von einem Finanzsektor, der die Energiewende zukünftig mitprägt.
Dirk Filzek vom House of Energy begrüßte die knapp 40 Teilnehmenden und führte in das Thema ein. Letztendlich bedeute die Energiewende auch eine Finanzwende. Um die neue Infrastruktur aufzubauen, seien enorme Investitionen notwendig. Dazu müssten Finanzmittel in großem Stil bereitgestellt und umgeschichtet werden. Ziel sei eine dekarbonisierte Wirtschaft mit kreislauforientierter Ressourcennutzung.
Dies könne über den Finanzsektor gesteuert werden. Gesellschaftlich und finanzpolitisch sei daher die Frage zu stellen, wie Nachhaltigkeitsaspekte (Umwelt und soziale Aspekte) in den finanzpolitischen Rahmen integriert und Anreize gesetzt werden können, um Finanzmittel aus der Privatwirtschaft für ein nachhaltiges Wirtschaften zu mobilisieren. Vier Impulsvorträge beleuchteten aus der Perspektive von Investoren, Banken, Entwicklungs- und Zentralbanken sowie der Gesellschaft, welche Herausforderungen, Lösungen und Maßnahmen gesehen werden und wie Energiewende und Finanzwende zusammenfinden. Es zeigte sich, dass Sustainable Finance ein notwendiges Instrument ist, dass wichtige neue Chancen für alle Seiten bieten kann.
Net Zero Banking Alliance
Den Anfang machten Thomas Mog und Sebastian Rink vom Green and Sustainable Finance Cluster Germany, das Expertise und Aktivitäten im Feld Sustainable Finance bündelt und das Ziel verfolgt, die Transformationsprozesse effizient und kostensenkend zu gestalten.
Einleitend stellte Herr Mog fest, ein nachhaltiges Finanzsystem könne die Klimatransformation ganz wesentlich unterstützen. Die Verbindung der Klimatransformation mit einem nachhaltigen Finanzsystem würde gezielt im Pariser Klimaabkommen verankert sein (Art. 2 c). Um die Klimaziele zu erreichen, sollen die Finanzströme mit einer nachhaltigen Entwicklung in Einklang gebracht werden.Für die Etablierung von Nachhaltigkeit im Finanzsystem sei entscheidend, ein Verständnis davon zu gewinnen, welche Effekte mit Sustainable Finance erreicht werden können. Dazu müssten wir uns damit auseinandersetzen, wie die Risiken sich mit bzw. ohne Transformation entwickeln, welche weiteren Benefits mit den SustainableFinance Maßnahmen verbunden sind, wie Liquidität für nachhaltige Investitionen generiert werden kann und wie sich die Kapitalkosten entwickeln. Damit die Banken ihre neuen Aufgaben wahrnehmen könnten, müssten sie den Stand der Technik kennen und für die verschiedenen Sektoren verstehen, welche Technologien finanziert werden können.
Banken müssten ihre Kunden auf dem Dekarbonisierungspfad einordnen und dahingehend beraten können, ob sie geeignete Ziele und Pläne für die Dekarbonisierung verfolgen. Damit ändere sich die Rolle der Banken, die sich zwar im Allgemeinen bekennen würden, ihre Finanzierungen im Sinne der Dekarbonisierung und Nachhaltigkeit auszurichten, dies jedoch noch nicht im notwendigen Maße mit klaren Zielen sicherstellten und konkretisierten. Banken könnten ihre Verantwortung in eine gelebte Rolle übersetzen, indem sie die ihnen zur Verfügung stehenden Strukturen nutzen und Anreizsysteme nach außen und innen schaffen. Die Gesellschaft wiederum brauche Transparenz über das Handeln der Banken und Standards für das Berichtswesen für Transparenz und Vergleichbarkeit. In der Net Zero Banking Alliance Germany (NZBAG) haben sich acht deutsche Banken zusammengeschlossen, die das Ziel hätten, bis Ende 2022 vorwettbewerbliche Grundlagen zu schaffen, um die im Juni 2020 gezeichnete Klimaschutz Selbstverpflichtung für den Finanzsektor umzusetzen. Ein wesentlicher Aspekt dabei sei es, notwendige Methoden zu entwickeln und einzuführen, um die Klimawirkung von Kreditportfolios messen und steuern zu können. Dabei sei die Kernfrage, wie man mittels Portfoliosteuerung über die Zeit auf einen klimaneutralen Pfad komme, der kompatibel mit dem Pariser Klima abkommen und den nationalen Klimazielen sei. Dabei müsse das Portfolio in seiner Gesamtheit auf den Dekarbonisierungspfad des jeweiligen Sektors passen. Um dies zu unterstützen, erarbeite die NZBAG aktuell Methoden, Instrumente und Standards. Am Anfang würden Methoden für eine integrierende Portfoliosteuerung erarbeitet, die die derzeit üblichen Kennzahlen zur Portfoliosteuerung mit neuen Kennzahlen zur Messung der Klimawirkung verbindet. Weiterhin beschäftige man sich mit der Frage, wie Banken ihre Kompetenzen und Fähigkeiten aufbauen können, um die Kunden im Sinne der neuen Herausforderungen zu beraten und den Kundendialog weiterzuentwickeln. Dabei gehe es darum, insbesondere den Mittelstand in der Transformation mitzunehmen und gemeinsam nach Finanzierungslösungen sowie strategischen und technischen Lösungen zu suchen. Hierzu werde ein Excelbasiertes Tool entwickelt und gemeinsam mit dem Mittelstand erprobt. Der Austausch mit der Realwirtschaft sei wichtiger Teil des Prozesses. Weitere Arbeitsthemen seien die Banken Governance sowie Vorschläge für ein Reporting, dass eine Vergleichbarkeit der Banken ermöglicht. Bereits im November 2021 solle das Curriculum für ein Grund lagen Training für Banken vorgestellt werden. Dabei ginge es nicht um ein übliches regulatorisches Training, sondern darum, alle Mit arbeitenden einer Bank mit Grundlagen für das Geschäft der Zukunft und den Klimaschutz fit zu machen. Herr Mog merkt zum Schluss an, dass die deutschen Banken in punkto „Readiness for Sustainable Finance“ aufpassen müssten, dass sie nicht den Anschluss in Europa verlieren. Daran würden sie mit den acht Banken zusammenarbeiten und so vorwettbewerbliche Grundlagen erarbeiten wollen.
Chancen und Risiken der Taxonomie
Der anschließende Impulsvortrag kam von Harald Zenke, Geschäftsführer der North Channel Bank, einer Spezialbank, die zukunftsorientierte und individuell zugeschnittene Kredit und Kapitalmarktlösungen anbietet. Herr Zenke führte zum Verständnis zunächst in das Wesen der EU Nachhaltigkeits Taxanomie ein. Der Begriff der Taxonomiebeschreibe ein einheitliches Verfahren zur Klassifizierung nach definierten Kriterien. Nachhaltigkeit sei gemäß Brundtland eine Entwicklung, die den Bedürfnissen der heutigen Generation entspricht, ohne die Möglichkeiten künftiger Generationen zu gefährden. Die EUNachhaltigkeits Taxanomie führe Wirtschaftstätigkeiten und Kriterien für die Überprüfung von deren Beiträgen zur nachhaltigen Entwicklung auf und beinhalte 6 Umweltziele:
1. Klimaschutz
2. Anpassung an den Klimawandel
3. Nachhaltige Nutzung und Schutz von Wasser und Meeresressourcen
4. Übergang zu einer Kreislaufwirtschaft
5. Vermeidung und Kontrolle von Umweltverschmutzung
6. Schutz und Wiederherstellung von Biodiversität und Ökosystemen
Zusätzlich seien vier Bedingungen festgelegt worden, die eine wirtschaftliche Aktivität erfüllen muss, um als konform mit der Taxonomie zu gelten:
1. Wesentlicher Beitrag zu mindestens einem Umweltziel
2. Keine wesentliche Beeinträchtigung eines anderen Umweltziels
3. Einhaltung der sozialen Mindeststandards
4. Erfüllung der technischen Prüfkriterien.
Seit einigen Jahren sei eine große Dynamik im Bereich Sustainable Finance zu beobachten. Anstoß sei gewesen, dass im Jahr 2014 die CSRRichtlinie verabschiedet wurde, die die Berichterstattungspflichten für große kapitalmarktorientierte Unternehmen erweitert und damit Transparenz über ökologische und soziale Aspekte von Unternehmen in der EU erhöhen soll. Im Jahr 2015 kam es zum Pariser Klimaschutzabkommen. Aktuell werde über die Deutungshoheit dar über gerungen, welche Kriterien wie zu bewerten seien. Auch über das Timing bei der Einführung der EU Taxanomie müsse gesprochen werden.
Die EU Taxanomie werde als neues wichtiges Instrument für den Klimaschutz benötigt. Würde man mit den heutigen Instrumenten weiterarbeiten, würden die Klimaziele nicht erreicht werden und eine Emissionslücke würde entstehen. Der Finanzsektor sei der Sektor, über den am leichtesten gesteuert werden könnte. Dabei stelle sich die Frage, wie wir die Nachhaltigkeitsziele mit der Regulatorik erreichen. Ein Kernproblem der Taxonomie sei die Messbarkeit von Daten. Man müsse die zu erhebenden Datensätze zunächst vereinheitlichen und standardisieren, damit sie messbar und vergleichbar würden. Um den Footprint eines Unternehmens bestimmen zu können, würden Datensätze erhoben, die quer durch Unternehmen hindurchgingen. Somit seien bereits innerhalb einzelner Wirtschaftsunternehmen die Datensätze zu harmonisieren. Weil nicht nur Großunternehmen, sondern auch KMU von den Berichtspflichten betroffen seien, handele es sich insgesamt um eine sehr große Zahl an Unternehmen. Die Banken könnten diese Steuerungsaufgabe daher nur erfüllen, wenn eine Regulatorik dabei hilft, dass die Industrie die notwendigen Daten von sich aus in einheitlicher Form und in der benötigten Qualitätsstufe liefert. Schwierig würde es, wenn die Banken die Daten erst anfordern und die Einhaltung der Qualität prüfen müssten. In der Zusammenarbeit mit den Kunden würden Banken zukünftig nicht nur Finanzierungen anbieten, sondern auch stärker in die Beratung gehen müssen. Diese Beratung werde eine regulatorische Beratung zur Nachhaltigkeit aus Sicht des Kunden sein. Die Banken hätten zukünftig also eine neue Rolle, die – wenn die Banken sie annehmen – auch Chancen für sie eröffnet.
Mittlerweile gebe es gute Ansätze, die Banken helfen können, die notwendigen Prozesse aufzusetzen. Hilfreiche Dokumente aus Sicht eines Bankers:
→ Deutsche Nachhaltigkeitsstrategie Weiterentwicklung 2021 – Kurzfassung
→ Final report of the Technical Expert Group on Sustainable Finance (2020) inkl. Technical Annex – Updated Methodology & updated Technical Screening Criteria
→ EBA Report on Management and Supervision of ESG Risks for credit institutions and investment firms (2021)
→ Lending to a climate neutral Germany by 2045 – Discussion paper: steering loan portfolios in line with the Paris climate goals,, NZBA (2021)
Green Investments & Rendite
Aus der Perspektive der Investoren berichtete LenaKatharina Gerdes. Sie leitet den Bereich Sustainable Finance bei der AWK Group AG, einem unabhängigen, internationalen Beratungsunternehmen für Strategieentwicklung und Digitalisierung.
„Es ist definitiv klar: Wie auch immer sich das Energiesystem der Welt entwickeln wird – die Gesamtinvestitionen müssen erheblich steigen.“
Mit diesen Worten eröffnete Frau Gerdes ihren Impulsvortrag zum Thema Green Investments und Rendite und stellte fest, dass die Investitionslücken je nach Sektor und Szenario unterschiedlich seien, auch wenn das grüne Investment Universum bereits jetzt immer interessanter und vielfältiger werde. Um die langfristigen Ziele der Energiewende zu erreichen, sei eine Kapitalumschichtung in Richtung Erneuer bare Energien erforderlich. Um bis 2050 NettoNullEmissionen zu erreichen, müssten die jährlichen Investitionen in saubere Energie sich gemäß IEA (International Energy Agency) bis 2030 mehr als verdreifachen.
Aus der Renditeperspektive stelle sich für Investoren die Frage, ob Erneuerbare Energien oder fossile Brennstoffindustrie bessere rsikoadjustierte Renditen bieten. Dies werde aktuell verstärkt geprüft. Es stellten sich zwei Fragen: Wäre es aus Renditesicht sinnvoll, ausschließlich in saubere Energie zu investieren? Und wenn ja, wäre dies überhaupt möglich? Ein guter Ausgangspunkt zur Beantwortung dieser Frage sei die jüngste historische Performance. Diese ließe sich anhand des öffentlichen, also des börsennotierten Marktes rekonstruieren, da dieser die größte Transparenz bei Marktwert, Finanz informationen und Handelsliquidität böte und daher eine Stellvertreterfunktion zur Bewertung der Renditeerwartung ein nehme. Berücksichtigen müsse man jedoch, dass nur ein Bruchteil des gesamten grünen InvestmentUniversums über die Börse gehandelt werde. Analysen zeigten, dass sich grüne Aktien in der Vergangenheit besser entwickelt hätten als solche von fossilen Unternehmen und dies bei einer geringeren Volatilität (Schwankung). Dies träfe auch auf die Krisenmonate Anfang 2020 zu. Europäische fossile Unternehmen hätten als Reaktion angekündigt, ihre Ausgaben für Erneuerbare Energien in den kommenden Jahren zu erhöhen. Aufgrund der Struktur dieser Unternehmen würden für die Anteilseigner jedoch weiterhin die Risiken von Öl und Gas dominieren.
Erneuerbare Energien würden auf Grund der wirtschaftlichen Vorteile an Dynamik gewinnen und einen unvergleichbaren Wachstumsmarkt bieten, weil es sich um einen Innovationsmarkt mit neuen Technologien handele, bei dem sich abzeichne, in welche Richtung die Entwicklung ginge. Aktuell jedoch blieben die Investitionen trotz herausragender Renditen begrenzt. Es fehle die Unterstützung von Investoren in börsennotierte Aktien. Ein Grund bestünde darin, dass institutionelle Anleger nicht in Unternehmen mit geringer Marktkapitalisierung anlegten. Hauptbarrieren für das Skalieren von Investments und damit relevanter Kapitalströme seien die noch geringe Liquidität des Marktes, weiterhin seien die Firmen im ErneuerbareEnergienBereich noch zu klein und es gebe wenige „Pure Player“, die ausschließlich im grünen Bereich tätig seien. Weiterhin bestehe im Rahmen der zu er wartenden Marktkonsolidierung Ungewissheit hinsichtlich der Integration kleinerer Player in größere Unternehmen. Durch mehr Transparenz könnten Investitionen gestärkt werden und auch auf die Performance von kleinen Playern aufmerksam gemacht werden. Auch gäbe es die Möglichkeit, Chancen auf den nicht börsenorientierten Märkten aufzudecken und zu fördern, sodass der Markt sich insgesamt vergrößert. Wichtig sei, dass klare industriespezifische Richtlinien auf EUEbene vorgegeben würden, damit für Investoren klar sei, in welche Richtung sich der Energiemarkt entwickle und wo es Investitionspotenzial gibt.
Lenkung der globalen Finanzströme zur Transformation der energetischen Infrastruktur
Dr. Matthias Kroll von der Stiftung World
Future Council (WFC) beleuchtete die globale Perspektive der Transformation hin zu 100 % Erneuerbaren Energien. Der WFC entwickelt zukunftsgerechte Lösungen und identifiziert geeignete Gesetze und Maßnahmen, um einen gesunden Planeten mit friedlichen Gesellschaften zu schaffen. Die Ergebnisse werden an politische Entscheidungsträger vermittelt und können so in den jeweiligen Ländern umgesetzt werden. Als Grundlage für die dargestellten Vorschläge zur Lenkung der globalen Finanzströme skizzierte Herr Dr. Kroll zunächst, wie groß die zu lenkenden Finanzströme sind. Dafür leitete er her, wie groß der globale Bedarf an neuer energetischer Infrastruktur ist und wie viel Geld für die entsprechenden Investitionen benötigt wird.
Bei einer überschlagsweisen Abschätzung, die sich auf den Bedarf an Photovoltaik und Windenergieanlagen konzentriert (und den Bedarf an weiteren Energieanlagen zunächst vernachlässigt), geht Herr Dr. Kroll von einem globalen Strombedarf von 150.000 TWh im Jahr 2050 aus, sofern Effizienzsteigerungen durch weitreichende Elektrifizierung gehoben werden. Dazu würden 55.000 GW an Photovoltaik und 17.000 GW an Windenergieanlagen benötigt. Die Investitionen in diese Anlagen seien aufgrund des Zeitdrucks bei Klimaschutz und Dekarbonisierung zeitnah zu tätigen. Der Investitionsbedarf dafür läge bei rund 85.000 Mrd. USDollar zu aktuellen Preisen. Erstrecke sich der Aufbau der Anlagen über 20 Jahre, ergäbe sich somit ein Finanzierungsbedarf von 4.300 Mrd. US Dollar pro Jahr. Da man auf der anderen Seite Investitionen in fossile Energien von rund 1.000 Mrd. USDollar pro Jahr einsparen würde und die Preise für Wind und Solarenergie vermutlich weiter sinken, könne von einer jährlichen Investitionssumme von rund 2.000 Mrd. USDollar pro Jahr ausgegangen werden. Bezogen auf das weltweite Bruttoinlandsprodukt (BIP) ( aktuell 88.000 Mrd. USDollar mit steigender Tendenz) bestünde somit ein Investitionsbedarf von aktuell 3,7 % und später 1 – 2 % des weltweiten BIP. Herr Dr. Kroll führte an, dass die Energiewende im Globalen Norden nicht ausreiche und 70% der Investitionen im Globalen Süden benötigt würden. Dabei würde es nicht an „grünem“ Investitionskapital, sondern an „bankfähigen“ Projekten für Erneuerbare Energien fehlen. Das Risiko sei für institutionelle Investoren schwer zu kalkulieren. Trotz grundsätzlicher Rentabilität könnten Investitionen in Erneuerbare Energien oftmals nicht umgesetzt werden, weil es an Erfahrungswerten und Referenzprojekten mangele, aus denen eine belastbare Risikokalkulation abzuleiten wäre. Um dieses Problem zu lösen, könnten bestimmte Mechanismen unter Einbeziehung der Zentralbanken helfen:
1. Bürgschaften aus dem Globalen Norden könnten helfen, die Investitionen kalkulierbar zu machen. Auch für normale Entwicklungsbanken seien die Risiken von Bürgschaften derzeit nicht kalkulierbar. Die einzigen Institutionen, die einspringen könnten, seien die Zentralbanken des Globalen Nordens. Sobald die Zentralbanken als Bürgen bereitstünden, könnten die Entwicklungsbanken auch schwer kalkulierbare Investitionen finanzieren und der globalen Energiewende einen starken Schub geben.
2. Darüber hinaus seien rückzahlungsfreie Zuschüsse aus dem Globalen Norden hilfreich, um die Investitionen rentabel zu machen. Problem sei, dass der Globale Süden im Globalen Norden produzierte Investitionsgüter investieren müsse, die in Euro und Dollar zu bezahlen sind. Entwicklungsbanken sollten sich die Finanzmittel für diese Zuschüsse besorgen, indem sie sehr langfristige Green Bonds an die Zentralbanken des Globalen Nordens verkaufen, die bei Fälligkeit durch neue Green Bonds abgelöst werden. Als Grundlage dafür müssten sie mit den einzelnen Ländern Roadmaps für die Investitionsprojekte erstellen. Dies gebe den Entwicklungsbanken neue Spielräume, um die Energiewende im Globalen Süden anzuschieben. Für die Zentralbanken seien die GreenBond Käufe gut in ihre bisherigen Asset Käufe integrierbar.
3. Auch eine Weiterleitung wesentlicher Teile der neuen Sonderziehungsrechte (SZR) des IWF (Internationaler Währungsfonds) an den Globalen Süden könne die Finanzierungsprozesse der globalen Klimaschutzinvestitionen massiv unterstützen. Im August des Jahres 2021 wurden neue SZR im Wert von 650 Mrd. USDollar neu geschaffen. Dabei handelt es sich um eine internationale Währungs reserve, die einen weltweiten Mangel an internationalem Geld verhindern soll. Mitglieder des IWF haben bei Finanzierungsbedarf das Recht, gegen SZR andere Währungen zu kaufen. Der größte Teil der neuen SZR ist aber bisher im Besitz der Staaten des Globalen Nordens, da die SZR analog zu ihren Kapitalanteilen am IWF ausgezahlt werden.
Weshalb überhaupt Sustainable Finance mit Finanzmarktregulierung? Reicht eine direkte Steuerung der Realwirtschaft durch einen CO²-Preis nicht aus?
Im Rahmen der anschließenden Diskussion wurde u. a. die aktuell häufig gestellte Frage diskutiert, weshalb eine indirekte Steuerung über die Finanzwirtschaft notwendig sei und ob eine direkte Steuerung der Realwirtschaft über eine CO2Bepreisung nicht ausreiche bzw. besser sei. Die Referierenden erläuterten die Notwendigkeit für die Umsetzung der Transformation in der Praxis: Herr Mog sagte, aus ökonomischer Sicht gedacht wären in der Tat vordringlich in der Realwirtschaft die Externalitäten zu bepreisen, weshalb Sustainable Finance nur die zweitbeste Option sei. Jedoch handele es sich dabei um eine theoretische Betrachtung. In der Praxis kämen wir um diese zweitbeste Option nicht herum, weil die Realität komplexer sei als ein einfaches Modell. Er erläuterte, dass wir für das angestrebte Klimaziel keinen angemessenen CO2Preis hätten und auch nicht genau wüssten, wo dieser liegen muss, weil wir die Schadensfunktion der wirtschaftlichen Tätigkeit auf das Klima nicht kennen. Dies gelte umso mehr für andere Nachhaltigkeitsthemen. Der politische Rahmen ermögliche es aktuell nicht, die Nachhaltigkeitsthemen systematisch in die Realwirtschaft zu integrieren. Auch aus Sicht der Finanzinstitute sei Sustainable Finance notwendig. Hinzu käme, dass Banken ihrerseits feststellten, dass große Risiken mit der Klimatransformation auf sie zukämen, sei es durch eine reaktionäre Klimapolitik oder die physischen Auswirkungen des Klimawandels. Als Finanzinstitut sei es daher wichtig, diese Themen frühzeitig selbstständig zu integrieren, um später selbst gut dazustehen, selbst wenn der politische Rahmen dafür nicht gesetzt ist. Die Banken müssten sich ökonomisch effizient aufstellen, mit Blick auf Wettbewerb, Ausfallrisiken, Kapital kosten und Chancen im Zusammenhang mit einer effizienten Wirtschaft. Frau Gerdes unterstützte die genannten Punkte und ergänzte, um die Investitionsseite zu lenken, sei es sehr wichtig, die Risiken zu quantifizieren. Bei institutionellen Investoren wie Pensionskassen stehe viel auf dem Spiel und daher müsse man sich dem Thema frühzeitig stellen. Für physische Risiken gebe es gute Modelle, v. a. aus dem Versicherungsbereich. Aber wenn es darum geht, Transitionsrisiken mit Szenarien zu quantifizieren, handele es sich um ein komplexes Unterfangen. Hier könne die Finanzbranche es sich nicht leisten, auf die Politik zu warten. Herr Zenke ergänzte weiter, dass sich der Finanzsektor neu definieren müsse und sich selbst in einen Transitionsprozess befinde. Es werde zukünftig nicht mehr in erster Linie darum gehen, dass Banken Kredite vergeben. Vielmehr müssten Banken eine Plattformfunktion einnehmen, um den Bedarf der Kapitalströme umzulenken. Daher arbeite die North Channel Bank aktuell mit dem Anbieter eines digitalen Marktplatzes für ErneuerbareEnergien Projekte aus der Schweiz zusammen, der ein Werkzeug biete, um Energieprojekte und deren Risiken zu bewerten und Projektfinanzierungen zu strukturieren. Mit diesem Akteur entwickele die North Channel Bank Ideen für die Tokenisierung, also die Aufteilung und Digitalisierung von Vermögenswerten. Diese Tokenisierung werde an reale Assets bzw. Vermögenswerte gekoppelt, die im Rahmen der Transformation zu finanzieren sind. Auch im Bereich der Kreislaufwirtschaft werde sich der Finanzsektor neu erfinden müssen. Schon in wenigen Jahren würden Banken anders aussehen als heute. Dies beträfe auch den Einsatz von Digitalisierung und Künstlicher Intelligenz.
Hier alle Termine im Überblick:
13. Juli 2021
Auftaktveranstaltung | Keynote Speech und Podiumsdiskussion "Die Energiewelt WERTVOLL gestalten"
16. September 2021
Online-Forum 1:
Wasserstoff – Eine wichtige Säule der künftigen Energieversorgung
28. September 2021
Online-Forum 2:
Wertstoffkreisläufe – (Seltene) Materialien und Recycling
28. Oktober 2021
Online-Forum3:
Green Finance - Die Rolle der Finanzwirtschaft
24. November 2021
Online-Forum 4:
Sektorenkopplung – Die Etablierung eines multimodalen Energiesystems Teil 1
9. Dezember 2021
Online-Forum 5:
Sektorenkopplung – Die Etablierung eines multimodalen Energiesystems Teil 2
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